Als ich heute in meiner Schreibstube vor dem Computer saß
und in meinen Aufzeichnungen zum
letzten Band der Antiquerra-Saga las, spürte
ich unerwartet einen Luftzug hinter meinem Rücken. Gleich darauf legte mir
jemand die Hände auf die Schultern. Ein feiner, würziger Duft nach feuchtem Waldboden
und Tannenholz streifte mich und als ich den Kopf wandte, blickte ich in das
Gesicht von
Luczin, dem Vampir. Wie ihr vielleicht wisst, ist Luczin einer der Protagonisten meiner
Antiquerra-Saga.
Er grinste mich an. „Jetzt hab ich dich endlich erwischt.
Hast du dich etwa vor mir versteckt?“
„Wie kommst du darauf?“ Ich schüttelte den Kopf. „Nein, hab
ich nicht.“
Luczin sah mich aufmerksam an. „Was ist los mit dir? Deine
Schritte sind in Antiquerra derzeit kaum zu hören.“
Ich stutzte. Wie meinte er das? Dann fiel mir ein, dass
Luczin einmal gesagt hatte, dass er mich in Antiquerra herumlaufen hören würden,
sobald ich zu schreiben anfing. Er und seine Gefährten nahmen das immer als
Zeichen, dass sie zu mir kommen konnten. Mir ging ein Licht auf! In den letzten
Wochen hatte ich zwar das Handlungs-Gerüst sowie die Kapitelabfolge für den
letzten Band der Reihe ausgearbeitet, aber Schreiben konnte man das wohl noch nicht
nennen. Es diente eher der Vorbereitung des Schreibens.
„Luczin, du weißt doch, dass ich mit den Ereignissen
hinter den Nebeln Antiquerras beschäftigt war.“ Ich zögerte. „Außerdem geht derzeit alles
etwas langsamer, ich
fühle mich irgendwie
ein bissel erschöpft …“
„Erschöpft? Du?!“ Luczin schaute mich forschend an.
„Ich bin halt nur ein Mensch“, erwiderte ich und setzte im
Geiste hinzu: hoffe ich zumindest.
„Was heißt: Du hoffst es?“
Mist, er hatte mal wieder meine Gedanken aufgeschnappt!
„Na ja“, ich wand mich ein wenig. „Ich bin in letzter Zeit
tagsüber so müde, werde erst nachts munter, wenn ich eigentlich schlafen will.
Dummerweise klappt das nicht. Nachts gehen meine Gedanken ständig auf Reisen
und morgens bekomme ich dann kaum die Augen auf.“ Ich komme mir schon vor
wie ein Geschöpf der Nacht, setzte ich lautlos hinzu und versuchte mit
aller Gewalt, meinen Verdacht zu unterdrücken, dass Luczin mich bei einem
seiner früheren Besuche gebissen hatte und ich jetzt allmählich zum Vampir
wurde.
Luczin drehte mich mit meinem Stuhl so, dass ich ihn ansehen
musste. Mit ernster Mine beugte er sich nah vor mein Gesicht. „Zeig mir deine
Zähne!“
Ich zog automatisch die Lippen hoch.
Er winkte ab. „Alles in Ordnung, Süße. Du wirst kein Vampir.
Hätte mich auch gewundert, schließlich hab ich noch keinen der
gläsernen Drachen
bei dir gesehen.“
Ich drehte ich mich mit meinem Stuhl von ihm weg und wandte
mich dem Computer zu. „Du würdest es mir doch sagen, wenn die Drachen mitkämen,
oder?“
Luczin fing an, zu lachen. „Du scheinst wirklich müde zu
sein, sonst würdest du solche Fragen nicht stellen! Süße, kein Vampir kann
seine AUTORIN beißen. Es gibt da eine natürlich Sperre, die das unmöglich
macht. Reicht dir das?“ Luczin drehte mich wieder zu sich herum.
Ich nickte. „Ja … Ich brauche einen Kaffee!“
Ich stand auf und während mir meine Senseo wenig später das
schwarze Getränk zubereitete, lenkte ich das Gespräch auf die Ereignisse in
Antiquerra. „Habt ihr den Eingang zur Steinwelt mittlerweile gefunden?“
„Nein!“ Luczin atmete hart aus und ging dann
in meiner Schreibstube auf und ab. Plötzlich blieb
er stehen und sah zu mir hin. „Kann es sein, dass hinter den Nebeln von
Antiquerra etwas schiefgelaufen ist? Von Niven haben wir nämlich auch noch
nichts gehört, seit er zu dieser
Lili gegangen ist! Meine Gefährten und ich machen
uns Sorgen.“
Ich rührte Milch in meinen Kaffee und trank einen Schluck. Sofort
hatte ich das Gefühl, dass meine Lebensgeister wieder erwachten. Ich ging auf
Luczin zu. „Die gute Nachricht ist: Die wahre Dunkelheit hat sich enthüllt und
der Feind kann endlich beim Namen genannt werden. Aber – er ist noch nicht
endgültig besiegt.“ Ich trank noch einen Schluck und dachte nach. Zuviel durfte
ich ihm nicht verraten, er musste selbst die Zusammenhänge herausfinden. „Ihr werdet
sicher bald mehr erfahren. Haltet einfach die Augen offen.“ Ich lächelte ihn
an. „Wenn ich Du wäre, würde ich mich ein wenig am Großen See umsehen, bei den
Arcanäs. Einer von ihnen heißt Ardrel …“ Als Luczin nickte, seinen Blick dabei
aber nicht von mir abwandte, setzte ich noch eines drauf. „Was würdest du davon
halten, wenn du Kieran noch einmal sehen könntest?“
Über Luczins Gesicht flog ein heller Schein, dann schüttelte
er den Kopf. „Das wäre wirklich schön, aber es ist unmöglich, wie du selbst weißt.“
Nun, derzeit wusste ich eine ganze Menge mehr als er,
schließlich war ich die Autorin der
Antiquerra-Saga. Ich stellte meine
Kaffeetasse zur Seite, stellte mich auf die Zehenspitzen und flüsterte in
Luczins Ohr: „Antiquerra hat so viele Geheimnisse, nicht wahr?“
Luczin lächelte und einen kurzen Augenblick lang sah ich
seine spitzen Zähne. „Das ist wohl wahr!“ Er zog mich an sich, hauchte einen
Kuss in mein Haar. „Ich nehme an, ein paar der Geheimnisse werden meine
Gefährten und ich noch ans Licht bringen?“
„Da bin ich sicher!“
„Gut, das beruhigt mich.“ Luczin sah durch das Fenster nach
draußen. „Es ist schon ziemlich dunkel
geworden. Zeit, mich wieder auf den Weg machen, die anderen warten sicher schon
auf mich.“ Luczin hielt mich ein Stückchen von sich weg. „Das nächste Mal will
ich dich wieder frisch und energiegeladen erleben!“
Ich grinste ihn an. „Keine Sorge, meine Tage und Nächte
kommen auch wieder ins Gleichgewicht. Wenn es soweit ist, wirst du es an der
Art merken, wie meine Finger über die Tasten laufen. Soweit ich weiß, überträgt
sich das ja auf die
Erde Antiquerras …“
Wenig später war ich wieder allein. Nach einem Blick auf die
Uhr schloss ich die Fenster meines Computers und fuhr ihn herunter. Es konnte
sicher nicht schaden, wenn ich einmal etwas früher schlafen ging …